Die Anzahl der Flüchtlinge ist in Deutschland weiterhin hoch, besonders Ukrainer sind in den letzten Monaten gekommen, um in Putins Krieg ihr Leben zu retten. Ehrenamtliche Helfer hingegen werden seit Jahren weniger - dies birgt Probleme. Daher kommen Freiwillige und Behördenmitarbeiter einmal im Jahr zusammen, um sich auszutauschen und um drängende Fragen zu klären. Das Zusammenkommen fand in Fürstenzell statt, eingeladen hatte der Integrationslotse und Ehrenamtskoordinator der Caritas, Andreas Trpak (44). Er agiert im Rahmen des Kooperationsprojektes des Landkreises Passau gemeinsam mit dem Caritasverband für die Diözese Passau. Die Integrationslotsung ist im Landkreis beim "Fachbereich Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe; Ehrenamt - Integration - Senioren - Sozialplanung" im Bereich Kreis Entwicklung unter der Leitung von Patrizia Hager angesiedelt.
40 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aus dem Landkreis trafen sich mit Landrat Raimund Kneidinger, um ihm aufgelaufene Probleme zu schildern. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Landratsamts waren mit dabei - von der Sozialplanung, von der Ehrenamtsstelle, von der öffentlichen Sicherheit, vom Sozialamt, vom Ausländeramt und vom Jobcenter. Andreas Trpak zeigte sich besonders erfreut über dieses hochkarätige "Line-up", an dem neben den vielen ehrenamtlichen Teilnehmer:innen auch Caritasvorstand Diakon Konrad Niederländer und der Fürstenzeller Bürgermeister Manfred Hammer teilnahmen.
"Ehrenamtliche Arbeit ist für den Landkreis ein großer Gewinn", merkte Landrat Kneidinger an. "Bei etwa 20.000 Menschen mit ausländischer Herkunft, die im Landkreis Passau leben, ist eine gute Struktur besonders wichtig." Der Fürstenzeller Bürgermeister betonte "das gute Miteinander in Vereinen und Schulen" in seiner Marktgemeinde, während Diakon Niederländer daran erinnerte, dass es der "Grundauftrag der Caritas ist, Menschen vor Ausgrenzung zu schützen". Dies sei in den letzten Jahren leider immer schwieriger geworden, darum sei es umso erfreulicher, dass so viele ehrenamtliche Flüchtlingshelfer gekommen waren.
Die Helfer hätten im letzten Jahr wieder vieles gegeben, so der Integrationslotse - trotz Enttäuschungen und Gegenwind. "Die Stimmung ist am Kippen, Fremdenhass macht sich wieder breit und wer Geflüchteten zur Seite steht, darf sich noch blöd anreden lassen", betonte der Caritas-Mitarbeiter. Eva Felscher aus Vilshofen kann ein Lied davon singen - ihr Haus wurde teilweise mit Beleidigungen beschmiert, weil sie sich für Asylbewerber einsetzt. Die Ehrenamtlichen sind beileibe nicht nur Deutsche - einige haben selbst einen Migrations- oder Fluchthintergrund. Die Palette der freiwilligen Tätigkeiten ist dabei breit gefächert: Man hilft bei der Wohnungssuche, gibt Sprachunterricht, organisiert Begegnungscafés, begleitet bei Behördengängen oder hilft den Kindern bei den Hausaufgaben.
Doch die Helfer beklagen seit einiger Zeit mangelnde Unterstützung und kommen an ihre Grenzen. "Das Ehrenamt wird für uns immer schwerer", ärgerte sich eine Freiwillige aus Hutthurm. Besonders eine gesetzliche Neuerung befördert bei den Ehrenamtlichen harsche Kritik: die Bezahlkarte für Flüchtlinge, die Geldströme ins Ausland verhindern soll. Diese Karte diskriminiere Asylbewerber und erschwere die gesellschaftliche Teilhabe, so der häufige Vorwurf. "Wie können von Geflüchteten Käufe über eBay oder auf Flohmärkten getätigt werden, wo auch oft schnelles Handeln nötig ist, will man sich billig Möbel beschaffen?", wurde von den Helfern gefragt. Die Antwort vom Sozialamt: Die Problematik sei bekannt, betreffe aber fast ausschließlich den Personenkreis SGB II beim Jobcenter, der diese Leistungen dann ohnehin aufs Girokonto erhalte. Für Flohmarkt-Käufe haben die Menschen ja auch 50 Euro monatlich in bar zur Verfügung.
Das neue "Chancen-Aufenthaltsgesetz" bietet gedulteten Ausländern eine gute Perspektive, bemerkte Reinhard Langmeyer aus Breitenberg - seine Schützlinge kommen aus Mali. Innerhalb von 18 Monaten muss man Voraussetzungen für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erfüllen, unter anderem hinreichende mündliche Deutschkenntnisse. Was aber, wenn man durch lange Wartezeiten sein Deutsch-Zertifikat erst nach 19 Monaten erhält? Könne man da nicht beide Augen zudrücken? Die Antwort vom Ausländeramt musste ernüchternd ausfallen: "Es handelt sich um eine eindeutige Stichtags-Regelung, da gibt es im Einzelfall keinen Ermessens-Spielraum."
Der Helferkreis "AVA" aus Vilshofen regte eine offene Sprechstunde für eilige Fälle im Ausländeramt an. Landrat Kneidinger zeigte Verständnis, musste aber erklären: "Konkrete Einzelfälle, insbesondere Problemfälle, können nur mit dem jeweils zuständigen Sachbearbeiter geklärt werden. Bei einer offenen Sprechstunde kann jedoch die Anwesenheit aller erforderlichen Sachbearbeiter nicht sichergestellt werden." Dann müsste mit langen Wartezeiten gerechnet werden, die Einzeltermine seien bereits jetzt sehr eng getaktet - freie Kapazitäten für eine offene Sprechstunde seien also leider nicht zu schaffen.
Die Vilshofener bezahlten sogar die Beerdigung einer Frau, da sich die Familie dies nicht leisten konnte. "Wir können diese Kosten aber nicht immer auffangen", merkte Felscher an. "Wie plant das Sozialamt dies zukünftig zu handhaben?" Diese Thematik sei tatsächlich noch Neuland, so die Antwort. Momentan gebe es keine rechtliche Grundlage zur Übernahme von Bestattungskosten. Diakon Niederländer von der Caritas machte aber Hoffnung: "Im Notfall können Sie sich an die örtliche Caritas wenden." Zum Abschluss fasste Ehrenamts Koordinator Trpak von der Caritas zusammen: "Im europäischen Vergleich steht Deutschland laut Studien in der Integrationsfrage noch relativ gut da."
Text: Andreas Trpak