Im Diözesan-Caritasverband Passau gibt es für straffällig gewordene Jugendliche die "Brücke Passau". Seit 1986 haben die jungen Menschen dort die Möglichkeit, sich beraten und helfen zu lassen, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Die Delikte reichen von einfachem Ladendiebstahl oder Schulschwänzen bis hin zu Drogenhandel oder schweren Gewaltdelikten. Im Interview erläutert ein Betroffener, warum ihm die "Brücke" hilft.
"Es gibt den Jugendlichen eine andere Sichtweise auf das Leben"
Paul (Name geändert) ist 18 Jahre alt und wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Seit einigen Monaten ist er bei der "Brücke Passau", einer Initiative der Caritas, die mit straffällig gewordenen Jugendlichen zusammenarbeitet. Paul erzählt, was er bei der "Brücke" lernen konnte und wie sie ihm in seiner Situation hilft.
Wieso bist du bei der "Brücke Passau"?
Ich bin hier, weil ich die Auflage bekommen habe, dass ich 15 Mal je eineinhalb bis zwei Stunden hierherkommen soll. Ich mache ein Anti-Aggressivitätstraining, weil ich eine Körperverletzung begangen habe. Das war eine schwere Körperverletzung. Ich habe jemandem den Kiefer gebrochen, was mir jetzt leidtut. Ich bin ein Jahr auf Bewährung und muss 15.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Jetzt bin ich hier und versuche aufzuarbeiten, wieso ich das gemacht habe.
Hattest du die Wahl, ob du zur "Brücke" gehst oder etwas anderes machst?
Ich habe mit meinem Anwalt geredet und er meinte, dass es wahrscheinlich sowieso darauf hinauslaufen wird, dass ich sowas in der Art machen muss. Deswegen habe ich dann freiwillig zum Richter gesagt, dass ich zur "Brücke" will.
Wieso wolltest du zur "Brücke"?
Ich wusste, ich habe etwas falsch gemacht und ich wusste nicht genau, wieso ich das gemacht habe. Ich fand, die "Brücke" war eine gute Möglichkeit, um mir das selber zu erklären.
Bist du froh, dass du bei der "Brücke" bist?
Auf jeden Fall. Wir behandeln hier nicht nur, wieso man jemanden nicht schlagen darf, sondern auch Sachen aus meinem Leben und welche Dinge falsch gelaufen sind. Das gehört ja alles dazu, man wird nicht von heute auf morgen zum Schläger.
Du arbeitest mit Marc Aubry (Diplomsozialpädagoge der "Brücke Passau") zusammen. Fühlst du dich dort gut aufgehoben?
Sehr gut aufgehoben. Man muss natürlich auch wollen. Wenn du die ganze Zeit schwänzt oder Termine verschiebt, dann mag das der Herr Aubry natürlich auch nicht. Das ist auch bei mir schon vorgekommen und da hatten wir auch schon Streit. Aber das lag natürlich an mir, weil ich nicht diszipliniert war, das haben wir aber dann geklärt. Im Großen und Ganzen fühle ich mich sehr gut aufgehoben. Das ist eigentlich wie eine Freundschaft.
Was genau macht ihr in den Sitzungen?
Wir reden sehr viel. Er fragt dich, was du in einer bestimmten Situation machst. Zum Beispiel wenn dich jemand Hurensohn nennt. Dann fragst du: Wieso hat derjenige das gemacht? Hast du etwas damit zu tun? Vielleicht liegt der Fehler an dir selber. Dann erklärst du, was du in dieser Situation tun würdest.
Was konntest du durch die "Brücke" lernen?
Auf jeden Fall habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht auf Provokationen einzugehen. Im Endeffekt bin ich noch auf Bewährung und ich will keine weiteren Straftaten begehen. Das ist zwar der Standardsatz, aber der Klügere gibt nach. Ich habe mit Marc Aubry viel darüber geredet, dass diese Leute, die so handeln, nicht schlau handeln und das habe ich jetzt begriffen.
Würdest du so denken, wenn du nicht bei der "Brücke" wärst?
Nein, ich glaube nicht. Ich wohne auch alleine und habe nicht so viele Ansprechpartner außer meine Freunde und die denken in den meisten Fällen so, wie ich damals gedacht habe. Ich hatte nie wirklich Bezug zu diesen Themen und habe einfach so gehandelt, wie ich es für das Beste empfand.
Du sagst, deine Freunde denken so, wie du damals gedacht hast?
Irgendwie zieht man solche Leute selber an, wenn man so ist wie sie. Dann hat man Freunde, die alle so denken und man ist in einem Kreis, aus dem man nicht mehr herauskommt. Man empfindet das dann für richtig, denn die anderen machen das ja auch.
Denkst du das ist auch der Grund, wieso es zur Tat kam?
Ja. Wenn man in einer Gruppe ist, denkt man anders, als wenn man alleine ist. Dann will man "cool" sein, aber das ist ja Schwachsinn.
Wie stehst du heute zu deiner Tat? Bereust du sie?
Auf jeden Fall. Das Opfer hat auch nachtragende Schäden erlitten und ich denke oft daran, wie es ihm geht. Ich habe schon mal gefragt, ob ich mit ihm reden kann, aber das will er nicht.
Findest du es grundsätzlich gut, dass die Caritas sowas wie die "Brücke" anbietet?
Auf jeden Fall. Es gibt den Jugendlichen eine andere Sichtweise auf das Leben.