Entscheidendes Stichwort: "Partizipation".
Will heißen, die jungen Menschen einbeziehen, genau auf ihre Gefühle hören und ihre Lage im Blick haben. Denn sie sind die eigentlichen Expert*innen, wenn es um herausfordernde Lebensumstände geht.
Für die Pädagog*innen heißt dies, mit persönlichen Haltungen zu arbeiten, statt nur mit Methoden. Dazu zählen Beteiligung, Wertschätzung, gemeinsames Verstehen und Sprache, Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Entscheidend sei es, so die Referentin Anja Sauerer in Passau, "der schmerzerfüllten Seele Ausdruck verleihen zu können und die Stimme wiederzubekommen". Denn so die Gesamtleiterin der Antonia-Werr-Zentrum GmbH, "wer ein chronisches Trauma erlitten hat, fühlt sich unwiderruflich anders oder verliert jegliches Gefühl für sich selbst".
Für Bischof Dr. Stefan Oster SDB ist in der Begleitung der jungen Leute das "existenzielle Hören" von zentraler Bedeutung. Im Gespräch einen Raum schaffen, in dem sich der Mensch öffnen könne und durch die Art des Zuhörens Hilfe zu erfahren, um das eigene Wort wiederzufinden und damit zu sich selbst. "Der Glaube ist für den Umgang mit Menschen und in der sozialen Arbeit eine persönliche Ressource, um heilsam zu sein", betonte Bischof Oster. Um die eigenen und die Verwundungen der Menschen zu meistern sowie Kraft zu schöpfen, sei es wichtig, mit Jesus Christus verbunden zu sein, der das Leid der Menschen mittrage.
Anja Sauerer, Gründerin des Fachverbandes Traumapädagogik, erläuterte aus ihrem Alltag den Ansatz "traumasensibler Partizipation". Ob im Heimrat, bei den Hilfsplänen, in der Planung von Veranstaltungen, auch bei Regelungen im Bereich von Selbstverletzungen würden die Jugendlichen einbezogen. Das fordere bisweilen die pädagogischen Mitarbeiter*innen heraus, führe aber zu positiver Entwicklung. Aus Ohnmacht würden die jungen "Expert*innen" zu jener Macht geführt, die ihnen ermögliche, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen. Partizipation heiße auch, Wissen zu teilen, den eigenen Glauben und die innere Stimme zu bekräftigen. Solche Teilhabe sie zudem relevant mit Blick auf eine mitfühlende Gesellschaft und sozialpolitische Verhältnisse. Und sie gab für die Finanzierung solcher Dienste mit auf den Weg: Jeder investierte Euro in der Kinder- und Jugendhilfe bringe langfristig den Effekt von 20 Euro.
Wie dieser pädagogische Ansatz konkret positive Schritte ermöglicht, erklärte Sabrina den rund 50 anwesenden Fachkräften. Die Schülerin in der heilpädagogischen Caritas-Wohngruppe St. Vito in Schönberg, berichtete im Zwiegespräch mit dem pädagogischen Mitarbeiter Martin Duckstein, von ihrem Weg. Wie sie es geschafft hat, über ihre Probleme zu sprechen und sie zu bearbeiten, um neue Wege in ihrem Leben einzuschlagen. Eine starke Persönlichkeit ist da gewachsen, die sich vorbereitet, wieder nach Hause zu gehen und später in der Tierpflege arbeiten möchte. Auch für den Erzieher ist es eine bereichernde Erfahrung, zu erleben wie sich die junge Frau entwickelt hat.
Aloisia Rothenwührer, Erziehungsberatung im Caritas-Kreisverband (KCV) Freyung-Grafenau, die Schülerin Sabrina, Martin Duckstein, Wolfgang Gaßler, Leiter der Erziehungshilfen, Kreisverband (KCV) Freyung-Grafenau, die Referentin Anja Sauerer und Petra Wiktorin, Leiterin des Berufsbildungszentrums Marienheim in Regen diskutierten, moderiert von Erika Paul, der Geschäftsführerin der AGkE, über grundsätzliche Fragen der Erziehungshilfen, von der Gewinnung von Fachkräften bis zu Fragen der Finanzierung.
Der Vorstandsvorsitzende Johannes Erbertseder, hat zu Beginn der Tagung auf das 20-jährige Bestehen der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen (AGkE) in der Diözese Passau hingewiesen. Es konnte Corona-bedingt erst jetzt im Jahr 20+1 begangen werden. Dazu wünschten Bischof Dr. Stefan Oster SDB und die stv. Landrätin und Bezirksrätin Cornelia Wasner-Sommer Glück und Gottes Segen für die Zukunft.